Einführung: Internationale Kammermusiktage Homburg
Stefan Fehlandt für das Vogler Quartett

Einführung: Internationale Kammermusiktage Homburg

 

„You use a glass mirror to see your face; you use works of art to see your soul.“ (G. B. Shaw)

Liebe Kammermusikfreunde!

Es ist wieder so weit. Ende September/Anfang Oktober ist Festival-Zeit in Homburg.

Wir freuen uns auf die Kammermusiktage. Zusammen mit unseren Gästen; und mit euch und Ihnen, unserem Publikum!

Das diesjährige Motto – face à face – übrigens auch Titel des Werkes von Bruno Mantovani im Eröffnungskonzert, geht auf diese vielfältigen Beziehungen ein, auf musikalischer und auf menschlicher Ebene. Sich gegenüberstehen, kommunizieren und interagieren, Perspektiven, Spiegel, spiegelnd – das sind Kategorien, die mir in den Sinn kommen. Und alle diese Begriffe sind in mehrfacher Hinsicht relevant, unter uns Musikern einerseits und im Kontakt mit dem Publikum, dem Ort und der Gesellschaft andererseits.

Wir haben in diesem Jahr ein Festival der Ensembles!

Ich fange mit den Jungen an. Das Liv Quartett aus Frankfurt ist dabei, 4 Klarinettistinnen, die zum Teil noch studieren und sich mit viel Mut, Leidenschaft und großem Erfolg einer enormen Bandbreite musikalischer Stile zwischen Originalkompositionen und Bearbeitungen widmen.

Mit den Kyklos Chambers ist ein klassisches Klavierquartett zu Gast. Diese im Vergleich zu Klaviertrio und Streichquartett nicht ganz so prominente Gattung bietet nichtsdestoweniger einen großen Klangreichtum. Zwei Mitglieder kommen aus Stuttgart, der Bratschist hat sein Master-Studium bei mir absolviert und ist als Entdecker kaum gespielter Werke und als Veranstalter auf dem besten Wege, das Repertoire nicht nur für sein Instrument zu erweitern.

Frank Dupree ist bereits eine Berühmtheit. Zwei von uns hatten das Vergnügen, gemeinsam mit ihm zu musizieren, und wir haben seine beeindruckende Karriere gerne verfolgt. Umso schöner, dass er in diesem Jahr unser Gast ist. Sein Trio präsentiert uns ein Feuerwerk an Repertoirevielfalt mit Farbigkeit, Spielfreude und Virtuosität. Er selbst ist ein Tausendsassa und mühelos in vielen Genres zu Hause. Perspektiven in Bezug auf Ensembles hat er als Trio-Musiker, als Klaviersolist mit Orchester, als Dirigent und als erfahrener Kammermusiker.

Die Bratschistin Monika Henschel ist als Gründungsmitglied des Henschel Quartetts ebenfalls eine überaus erfahrene Kammermusikerin. Zudem engagiert sie sich als Präsidentin des Verbandes deutscher Streichquartette (VdSQ). Und, dieses persönliche Wort sei mir gestattet, während einer Krankheit hat sie mich im Vogler Quartett vertreten. Dafür bin ich außerordentlich dankbar; wie schön, dass wir nun gemeinsam auf der Bühne sein dürfen.

Mit Nikolaus Friedrich verbindet uns eine lange Freundschaft. Auch seine Ensemble-Erfahrungen sind bemerkenswert. Er ist Soloklarinettist im Orchester des Nationaltheaters Mannheim und begeisterter Kammermusiker; sowie – als Musiker und Konzertveranstalter – auch Initiator und Auftraggeber neuer Werke.

Das Programm der Kammermusiktage ist mit vielen Beziehungen, Assoziationen und Querverbindungen wieder ausgesprochen vielfältig geworden. Das freut uns sehr und ist natürlich auch Ausweis der Kreativität unserer Gäste.

Im Eröffnungskonzert sind Haydn und Schubert die perfekte Klammer für zwei Ensembles, die sich in mancherlei Hinsicht sehr ähneln, durch die Gegenüberstellung verschiedener Epochen und Instrumente jedoch große Unterschiede aufweisen.

Wir haben verschiedene Perspektiven auf den vierstimmigen Satz, der als die vollkommene Klangstruktur gilt, die Referenz sozusagen. Haydn ist der Erfinder in Sachen Streichquartett, die Quelle all dessen, was nach ihm kam. Jean Francaix und Bruno Mantovani konnten sich von einem unendlichen Fundus inspirieren lassen.

Schuberts vielleicht bekanntestes Kammermusikwerk, eines der zeitlosesten und bedeutendsten Stücke der gesamten Literatur, beschließt den Abend.

Im 2. Konzert folgt wieder Musik für 4 Klarinetten, darunter eine Mendelssohn Bearbeitung und die Adaptation eines klassischen Streichquartettes, auch dies eine interessante Spiegelung. Zudem erklingt die „Living Room Music“ von John Cage, einem der experimentellsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.

Max Regers Klarinettenquintett ist Musik am Ende einer Epoche, eines Lebens; transparent, abgeklärt, wehmütig und voller (Brahms-) Zitate, vornehmlich aus dessen Klarinettenquintett. Und doch gibt es auch den Blick in die Zukunft, etwa im harmonischen Reichtum. Das Stück ist auch überaus agil, hat Witz und jede Menge Klangzauber. Die Klarinette ist hier das ideale Partner-Instrument zu den Streichern.

Das 3. Konzert steht gewissermaßen unter dem Motto „Junge Meister“. Josef Suk und William Walton waren beide sehr jung, 17 Jahre alt, als die jeweiligen Klavierquartette entstanden. Das Werk von Suk ist wie eine Visitenkarte, er hat sich damit im Kompositionsseminar präsentiert, Antonin Dvorak soll vollkommen begeistert gewesen sein.

Waltons Stück ist beachtlich reif und experimentell, dabei auch mit folkloristischen Details. Beide rahmen das frühe, ursprünglich als Quintett mit 4 Bläsern und Klavier erklungene op. 16 von Beethoven ein. Er selbst hat die Bearbeitung zum klassischen Klavierquartett, sicher auch in Anlehnung an Mozart, vorgenommen. Das Werk gehört zu den beliebtesten der Gattung.

Wie ein Kaleidoskop verschiedener Stile und Epochen wird das 4. Konzert mit dem Frank Dupree Trio wirken. Ravel beispielsweise erklingt original und in einer Jazz-Fassung. Zur Virtuosität von Nikolai Kapustin gesellen sich zudem Improvisationen über Werke von George Gershwin, Leonard Bernstein und Dana Suesse, also auch hier Spiegelungen durch kreative Auseinandersetzung.

Das 5. Konzert vereint 3 Gattungen der Kammermusik: Streichquartett, Streichquintett und Klavierquartett. Die polnische Komponistin und Geigerin Grazyna Bacewicz interessierte sich sehr für traditionelle Musik. Ihr 4. Streichquartett ist reich an volksmusikalischen Einflüssen.

Mozart gelang mit seinem frühen Streichquintett KV 174 sein bis dato bestes Kammermusikwerk. Die Version mit zwei Bratschen, die auf ihn selbst zurückgeht, bietet Klangfülle und damit mehr kompositorische Möglichkeiten. Diese Idee hat er später in seinem Leben wieder aufgegriffen und zu nie gekannter Blüte geführt.

Das Klavierquintett von Elgar stammt aus seiner letzten Schaffensphase. Es ist ein bei aller Klangschönheit und Farbigkeit eher wehmütiges Werk, ein Abschied.

Im Abschlusskonzert erklingt Dvoráks op. 16 in a-Moll, ein frühes Werk in seinem überaus reichen Streichquartettschaffen und wie viele andere seiner Quartette wenig gespielt. Einiges von diesem Reichtum haben wir in Homburg bereits gespielt.

Die Italienische Serenade von Hugo Wolf ist ein geniales Werk, spritzig, hintergründig und originär, quasi auf den Punkt gebracht. Das Stück war Vorbild für viele Komponisten im

20. Jahrhundert, auch Grazyna Bacewicz hat sich davon in spirieren lassen.

Brahms op. 111 ist ein Musterbeispiel für die späte Phase, eigentlich wollte er mit diesem Werk sein kompositorisches Schaffen beenden. Dazu kam es glücklicherweise nicht, er lernte mit Richard Mühlfeld den wohl berühmtesten Klarinettisten seiner Zeit kennen. Es folgten herausragende Werke wie beispielsweise das Klarinettentrio, die Sonaten und das Klarinettenquintett. Hier schließt sich der Kreis zu Max Reger, auch dadurch ergibt sich auf einer übergeordneten Ebene ein Link zu unserem Festival.

Es bleibt noch das Schulkonzert „Intermezzo“ zu erwähnen. Dieses ist langjährige Tradition und Herzensanliegen und wird auch in diesem Jahr stattfinden.

Ich wünsche uns allen anregende Konzerte und Begegnungen!

 

 

Ihr Stefan Fehlandt