Einführung: Internationale Kammermusiktage Homburg
„You use a glass mirror to see your face; you use works of art to see your soul.“ (G. B. Shaw)
Liebe Kammermusikfreunde!
Es ist wieder so weit. Ende September/Anfang Oktober ist Festival-Zeit in Homburg.
Wir freuen uns auf die Kammermusiktage. Zusammen mit unseren Gästen; und mit euch und Ihnen, unserem Publikum!
Die „Group des Six“ war ein eher loser Verbund von weniger ästhetisch als freundschaftlich verbundenen Komponisten, fünf Männern und einer Frau. Verbunden waren sie vor allem in der Ablehnung von Spätromantizismus und musikalischem Impressionismus; ein frecher Witz war ihnen gemeinsam, der Wunsch nach künstlerischer Freiheit, die Lust auf Neues.
Wir sprechen von den Jahren direkt nach dem 1. Weltkrieg, die unglaublich kreativ waren.
Laut Arthur Honegger, einem Mitglied der Gruppe, waren die eine Zeitlang regelmäßigen Treffen der Gruppe betitelt mit „Le boeuf sur le toit“ - in Anlehnung an die Komposition von Darius Milhaud. Der Name der Gruppe war allen nur ein Etikett, das ihnen angeheftet worden war. Nur so viel an dieser Stelle zur Group des Six und unserem Motto. Weitergehende Informationen und Gedanken gibt es im Festival-Magazin reichlich und sehr lesenswert.
Die Musikgeschichte ist voller solcher Etiketten. Diese können ja auch sinnstiftend sein, sortieren oder einen ersten Überblick gewährleisten. Man kann sie auch nutzen, um beispielsweise Aufmerksamkeit zu generieren. Allerdings ist es immer die Aufgabe von Komponisten und Musikern, im Übrigen auch die des Publikums, sich davon frei zu machen und möglichst unvoreingenommen zu sein.
In diesem Sinne begrüßen wir Sie und euch zu den diesjährigen Kammermusiktagen!
Gemeinsam können wir uns auf ein wunderbares Programm freuen, in dem weniger die festen Ensembles im Fokus stehen als vielmehr Solisten und Kammermusiker, ungewöhnliche Besetzungen und singulär dastehende Werke der Musikliteratur.
Die gefeierte Geigerin Sophia Jaffé, Kollegin von Tim Vogler in Frankfurt, ist mit ihrer Pianistin, Nami Ejiri, bei den Kammermusiktagen mehrmals zu hören. Öykü Canpolat ist SoloBratschistin beim Gürzenich Orchester Köln und Professorin für Viola in Stuttgart, also meine Kollegin. Ebenfalls aus Frankfurt kommt der Cellist Jan Ickert, auch er HS-Kollege. Mit dem Pianisten Matthias Kirschnereit ist ein besonders langjähriger Freund und musikalischer Partner dabei. Weiterhin ist das Arcis Saxophon Quartett aus München mit dem jungen Ausnahme-Percussionisten Christian Benning zu Gast.
Uns alle erwartet ein wirklich großartiges Programm!
Das Repertoire reicht von Klavier solo bis zum großen Ensemble. Wir haben einen klassischen Duo-Abend für Violine und Klavier. In weiteren kleineren Besetzungen erklingen u.a. das Duo für Violine und Violoncello von Erwin Schulhoff und die 5 Stücke für 2 Violinen und Klavier von Dmitri Schostakowitsch.
Wir haben das Motto-Konzert mit dem Arcis Quartett und Christian Benning. Hier sind Werke von Jean Francaix, Dante Agostini, Georges Auric und Darius Milhaud in außergewöhnlichen Arrangements zu hören. Kombiniert werden sie mit Lichtinstallation und Stummfilm, sicher ein mehrdimensionales Erlebnis der besonderen Art mit spannenden Perspektivwechseln im Sinne der oben beschriebenen Etikettierungen.
Das Eröffnungskonzert findet in diesem Jahr in Kooperation mit den Homburger Meisterkonzerten statt; dies freut uns sehr und eröffnet vielleicht Optionen für eine weitere Zusammenarbeit.
Unser Festival beginnt, wie kann es anders sein, mit Joseph Haydn, dem Vater nicht nur des Streichquartetts, sondern in gewissem Sinn der modernen Kammermusik. Es erklingt sein Opus 76 Nr. 5, ein Werk des älteren Meisters, nichtsdestoweni- ger sprühend vor Einfallsreichtum, Witz, formaler Freiheit und Tiefe.
In diesem Jahr stehen einige der großen und quasi einzeln dastehenden Werke im Programm.
Wieder ein Etikett, das beispielsweise auch für die Kreutzersonate von Ludwig van Beethoven gilt, die ja innerhalb seiner Violinsonaten eine Sonderstellung einnimmt.
Weiter kommt Edvard Griegs selten gespieltes und grandioses g-Moll Streichquartett zu Gehör. Alban Bergs op. 3 ist sublimierte und konzentrierte Musik der allerfeinsten Art. Das Streichquartett von Giuseppe Verdi ist ebenso singulär wie genial, im selben Konzert erklingt zudem das Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett von Ernest Chausson, ein Klangrausch und in Form und Besetzung, ein außergewöhnliches und großes Werk. Beethovens frühes Klavierquartett ist wieder dabei, geschrieben in der Erbschaft Mozarts und gleichzeitig revolutionär. Das Streichquintett von Anton Bruckner, sein einziges vollgültiges Kammermusikwerk, spielen wir anlässlich seines 200. Geburtstages. Es ist ein einzigartiges Kleinod und vereint höchste Reife mit meisterhafter Architektur.
Ebenso besonders ist das Streichsextett von Antonin Dvorák, sehr liedhaft, tänzerisch und anmutig. Im selben Jahr entstan- den wie die Slawischen Tänze blieb es sein einziges Werk dieser Gattung.
Die Kammermusiktage enden konzertant mit dem Klavierkonzert A-Dur KV 414 von Wolfgang Amadeus Mozart in einem Arrange- ment für Klavier und Streichquartett. Hier schließt sich der Kreis zum Beginn mit Haydn und zwei Komponisten, die mit „Etiketten“ auf ihre Art umzugehen wussten.
Den jährlichen Schulbesuch wird es selbstverständlich auch wieder geben, am 27. September sind wir in der Grundschule Bexbach zu Gast.
Ich wünsche uns allen anregende Konzerte und Begegnungen!
Herzlichst, für das Vogler Quartett
Ihr Stefan Fehlandt